Dschinns (von Fatma Aydemir)


Wer bei dem Titel "Dschinns" an den lustigen Flaschengeist aus den Disney-Filmen denkt, liegt bei diesem Buch komplett daneben. Denn Dschinns sind nicht nett und schon gar nicht lustig. Genau wie der Roman von Fatma Aydemir. Auch der ist weder nett noch lustig. Trotzdem ist es eines der besten Bücher, welches ich in diesem Jahr gelesen habe. Wahrscheinlich bin ich etwas "late to the party", denn erschienen ist das Buch schon im Februar 2022 und war sofort in aller Munde.

Parallelgesellschaft

Ich bin froh, dass ich diesen Roman gelesen habe. Er erzählt von einer Parallelgesellschaft mitten in Deutschland. Im Grunde geht es um türkische Einwandererfamilien und ihr Leben in einem für sie fremden Land. Ohne dieses Buch hätte ich wohl nie einen Einblick in diese, für mich, ganz fremde Welt bekommen. Es geht nicht nur darum in einem anderen Land zu leben, sondern auch um den Konflikt der Generationen, die zwischen Traditionen, Glauben und fremden Kulturen wandeln. Die sich versuchen anzupassen, zurechtzufinden und ihren Weg zu gehen. Die von Einheimischen misstrauisch beäugt, beschimpft und sogar angegriffen werden. Die ihre eigene Kultur bewahren wollen. Und die in ihrer Gegenwart auch immer von der Vergangenheit beeinflusst werden. Die Autorin erzählt die Geschichte der Familie Yilmaz, die aus den Eltern Hüseyin und Emine und den Kindern Sevda, Hakan, Peri und Ümit besteht. Jedes Familienmitglied bekommt seine eigene Stimme und schildert seine Denkweise.

Hüseyin

Alles beginnt mit dem Ende. Hüseyin, der nach vielen Jahren harter Arbeit endlich seinen Ruhestand genießen möchte, stirbt an einem Herzinfarkt. Er stirbt jedoch nicht in Rheinstadt, wo die Familie lebt, sondern in Istanbul. Denn hier hat er sich den Traum von einer eigenen Wohnung erfüllt, in der er eigentlich seinen Lebensabend mit seiner Frau Emine verbringen wollte. Weit weg von Deutschland, aber auch weit weg vom kleinen Dorf seiner Jugend. Anstatt nun die Einweihung der neuen Wohnung zu feiern, reist die Familie zur Beerdigung in die Türkei. Aus diesem traurigen Ereignis heraus, bekommen wir einen Einblick in das Seelenleben und die Gedankenwelt eines jeden Familienmitgliedes - angefangen mit Hüseyin.
Als junger Mann ist er nach Deutschland ausgewandert um dort zu arbeiten und für seine Familie Geld zu verdienen. Zunächst verbringt er einige Jahre alleine dort bevor seine Familie nachkommen kann. Schnell stellt Hüseyin fest, dass er in Deutschland nicht mit offenen Armen empfangen wird. Die Menschen sind misstrauisch und feindselig. Er wird beschimpft und ausgegrenzt. Trotzdem hält er durch und leistet jeden Tag schwere Arbeit. Für seine Familie, für seinen Traum von der Zukunft in einem Eigenheim und für die Flucht vor der Vergangenheit und einem dunklen Geheimnis. Alles was er möchte ist ein gutes Leben in Frieden und Freiheit. 

Kinder

Das Leben der Kinder, der Familie Yilmaz, könnte nicht unterschiedlicher verlaufen. Während die älteste Tochter, Sevda, zunächst in der Türkei bei Verwandten bleiben muss und als letztes nach Deutschland auswandern darf, wachsen die anderen drei Kinder von klein auf in Deutschland auf. Der jüngste Sohn, Ümit, wird sogar erst in Deutschland geboren. Mit den Jahren an Altersunterschied, der die Kinder voneinander trennt, ist auch ihr Bezug zu ihrer Herkunft ganz unterschiedlich. Sie leben in Deutschland - ein Land, das ihre Heimat ist, in der sie aber doch nie richtig ankommen. Fremdenfeindlichkeit, Polizeigewalt, Vorurteile und Kulturunterschiede prägen ihr Leben.

Kulturen

Vor allem das Gefühl der Entwurzelung zieht sich durch die Generationen. Besonders stark kommt dieser Aspekt bei Emine (Mutter) und Sevda (Tochter) zur Geltung. Emine musste in ihrem Leben schon zwei Mal ihre Heimat verlassen und empfindet das als großen Verlust. Doch sie verliert nicht nur die Heimat sondern auch ihre Sprache. Und auch das passiert zweimal! Zuerst darf sie nicht mehr Kurdisch sprechen - zu gefährlich in der Türkei. Später nützt ihr in Deutschland die türkische Sprache nichts. Deutsch wird sie nie lernen und so ist sie einer Sprachlosigkeit ausgeliefert, die sich durch den ganzen Roman zieht. Eine Sprachlosigkeit, die sich nicht nur auf Sprache bezieht, sondern auch auf das nicht miteinander Sprechen. Jedes Familienmitglied hütet seine ganz eigenen Geheimnisse. Und so liegt ein ohrenbetäubendes Schweigen über Allem.

Infos


Autorin: Fatma Aydemir
Hardcover
ISBN: 978-3446269149
Preis: 23,90 EUR

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